11.11.2018



Auch wenn sie wahrscheinlich in dieser Form nur eine Legende ist, so ist sie doch eine Geschichte, die im Kern das Wesentliche des Marathonlaufes beschreibt – „Wir haben gesiegt!“. Ein jeder von uns erringt seinen privaten Sieg, wenn er die Ziellinie eines Marathons überquert. Ein Sieg der Hingabe und der Disziplin, ein Sieg des Willens und der Freude.

 

490 v. Chr. soll es Pheidippides gewesen sein, der als Bote vom Schlachtfeld nach Athen gelaufen ist um den Sieg über die Perser in der Schlacht bei Marathon zu verkünden. „Nenikekamen – Wir haben gesiegt!“ hat er gerufen, und ist dann vor Erschöpfung tot zusammengebrochen. Ein für einen Gründungsmythos durchaus passender Ausgang, in der damaligen Realität aber wohl eher unwahrscheinlich. Hatten doch die Athener eigens ausgebildete Botenläufer, die Hemerodromos, welche lange Distanzen oft auch über mehrere Tage hinweg laufend zurücklegten.

 Wie auch immer, wir alle lieben gut erzählte Geschichten und so bleiben wir beim Mythos. Auch Athen beruft sich natürlich auf diesen Mythos und veranstaltet den einzig wirklich „authentischen“ Marathon auf der „authentischen“ Strecke, eben der von der kleinen Stadt Marathon in das Panathinaiko-Stadion in Athen, dem Olympiastadion der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit im Jahre 1896. Also auf jeden Fall ein Lauf mit viel Geschichte. Ob die Strecke, die Pheidippides damals gelaufen ist, genau jene war, die wir heute laufen, ist ungewiss. Aber zumindest so um die 40km dürften es schon gewesen sein. Wie es genau zu den 42,195km kam, die wir heute mit dem Marathon verbinden, ist ja eine andere Geschichte.

Thanassis Stavrakis/AP
Thanassis Stavrakis/AP

Die Statue unseres Freundes Pheidippides findet sich direkt an der Laufstrecke. Eine Laufstrecke, die im Hauptberuf eine Bundesstraße mit Namen „Marathon Road“ ist. Eine Schnellstraße mit Autobahncharakter, wie man auf dem Bild im Hintergrund gut erkennt, die aber am Marathontag in das Gewand der historischen Marathonstrecke schlüpft und von tausenden Läufern und noch mehr Zuschauern belebt wird.

 

Ein Lauf, der sich von Jahr zu Jahr immer größerer Beliebtheit erfreut. Die 36. Ausgabe ist es heuer, mit 18.500 Athleten nur für den Marathon. Dazu kommen noch die Teilnehmer an den 10km, 5km und 3km Läufen. Damit tummeln sich an diesem Wochenende mehr als 50.000 Läuferinnen und Läufer in Athen. Die Organisation ist jedoch perfekt, auch was die Ausgabe der Startpakete bei der Marathonmesse betrifft. Diese ist übrigens die umfangreichste und am besten ausgestattete aller Messen, an denen ich bis jetzt teilgenommen habe. Und da waren immerhin 5 Marathon Majors dabei. Während bei den Majors zumeist nur der Hauptsponsor vertreten ist, sind hier tatsächlich alle großen Laufsport-Labels anwesend. Es lohnt sich, mehr Zeit einzuplanen! Einzig die Anreise zum Veranstaltungszentrum ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas mühsam.

Am Marathon Sonntag geht die Reise schon früh los. Von verschiedenen Plätzen der Stadt gibt es die Möglichkeit, in einen der offiziellen Shuttle Busse nach Marathon einzusteigen. Die Warteschlangen vor den Bussen können sehr lang werden, etwas Geduld ist daher einzuplanen. Oder man weicht auf weniger frequentierte Einstiege aus. Die Fahrt nach Marathon dauert ca. eine Stunde und schon auf dem Weg dort hin fällt einem unangenehm auf, wie hügelig die Umgebung rund um Athen ist. Die Steigungen sind auch das Hauptkriterium, welche den Athen Marathon sicher nicht zu den einfachsten und schnellsten Läufen machen. Eine Personal Best würde ich nicht einplanen. Für jemanden wie mich, der aus dem Flachland kommt, hat der Marathon tatsächlich schon die Anmutung eines Berglaufs. Während es die ersten Kilometer noch leicht bergab und danach flach die Küste entlang geht, beginnt ab km 18 eine Steigung durchgängig bis km 32. Von nahezu Meeresniveau klettert die Strecke bis auf 250m hinauf, um dann wieder auf den letzten 10km bis ins Ziel auf 100m abzufallen. Das Gemeine ist nur, das Gefälle auf den letzten 10km merkt man subjektiv viel weniger, als die Steigung auf den 14 km davor. Die richtige Strategie für diesen Kurs aus meiner Sicht: Bis km 32 zurücknehmen, nicht auf Druck laufen. Die Steigung ist laaaang! Erst danach Gas geben, wenn es denn sein muß.

Der Sammelbereich vor dem Start ist das Sportstadion von Marathon. Es gibt ausreichend mobile Toiletten und die Möglichkeit, sich am Rasen des Stadions einzulaufen. Wer will, kann auch das olympische Feuer erkunden, welches am Rande des Stadions brennt. Ich empfehle aber, sich rechtzeitig auf den Weg vom Stadion in die Startblöcke zu machen. So großzügig auch der Platz im Stadion ist, so eng sind die Ausgänge aus dem Stadion zur Marathon Road, auf der sich der Start befindet. Gestartet wird halbwegs pünktlich, in mehreren Wellen und mit verschiedensten Lokalpolitikern, die jeweils eine Rede (auf Griechisch) schwingen dürfen, bevor sie den Startschuß geben.

 

 

Dann geht es dahin, auf der Marathon Road, die wir bis Athen nur mehr einmal für eine Runde um den Grabhügel der gefallenen Soldaten der Schlacht bei Marathon verlassen. Ich habe mich zwar sehr bemüht, den Grabhügel habe ich aber beim besten Willen nicht gesehen. Dafür aber stehen an dieser Stelle am Straßenrand Frauen, die kleine Olivenzweige verteilen. Ein historisches Symbol des Siegers. Es ist wert ihn bis ins Panathinaiko-Stadion zu tragen und als Andenken mit nach Hause zu nehmen. Unbedingt hier einen nehmen, später gibt es die Möglichkeit nicht mehr.

Die Temperaturen sind für Anfang November entsprechend angenehm und klettern im Laufe des Tages an die 20 Grad. Am Start müssen wir nicht frieren und auf der Strecke ist die Hitze erträglich, mit leichtem Rückenwind. Also gute äußere Bedingungen.

  

 

Wie schon gesagt, wir laufen auf einer Bundesstraße. Immer wieder durch kleine Ortschaften und Städte, bis wir in die Vororte von Athen gelangen. Natürlich stehen anfangs zwischen den Ortschaften wenig Zuschauer, in den besiedelten Gegenden sind aber alle Einwohner an der Straße und feuern an. Besonders viele Kinder sieht man und die freuen sich ungemein über ein Abklatschen. Es ist das auch eine hervorragende Möglichkeit, um von der stetigen Steigung der Strecke abzulenken. 


Auch die Verpflegungsstationen sind ausreichend. Bei diesem Marathon wird das Wasser in Form von kleinen Plastikflaschen ausgegeben. Diese haben den Vorteil, dass man sie mitnehmen kann und auch zwischen den Labstellen immer wieder trinken kann - wenn man sie in der Hand halten will oder einen entsprechenden Gurt hat. Der Nachteil ist, dass man sie eigentlich nicht in einem Zug austrinken kann, weil sie zu groß sind. Viele Läufer schmeißen daher diese halb- und ¾-gefüllten Flaschen gleich nach der Labe wieder weg! Eine Verschwendung, meiner Meinung nach. Und auch nicht ganz ungefährlich, weil nicht jeder der Teilnehmer so zielsicher ist, die Flaschen in die dafür vorgesehen Abfallbehälter zu treffen. Ein falscher Tritt auf so eine halb gefüllte Flasche kann das Rennen beenden.

2018 ist ein spezielles Jahr für diesen Marathon. Lange Zeit war es ungewiss, ob er an der geplanten Strecke überhaupt stattfinden kann. Im Sommer 2018 richten verheerende Feuer in Mati, einem Ort 10km nach dem Start,  enorme Schäden an. Die Strecke verläuft auf einer Länge von 4 km mitten durch diese Gebiete. Wir laufen zwischen verkohlten Häusern und Olivenhainen. Noch immer hängt der Gestank von Rauch in der Luft. An diesen Orten ist es still, es gibt keine Musik am Straßenrand, die Bewohner stehen in schwarzer Kleidung an der Strecke. Aber das Ziel des Marathons ist es, den Menschen wieder Mut zu machen. Mit der Initiative „Runners Forrest“ wird ein kleiner Teil jedes Startgelds für die Wiederaufforstung der Olivenhaine und andere Maßnahmen gespendet. Die Menschen sind für diese Hilfe dankbar.

Bei km 33 haben wir dann tatsächlich die Vororte von Athen erreicht. Hier gibt es auch die erste U-Bahn, die einen wieder in die Stadt bringen könnte. Das ist aber nicht wirklich notwendig, man hat das Schlimmste eigentlich schon hinter sich. Ab jetzt geht es bergab in Richtung Ziel, auch wenn man das nicht sofort bemerkt. Aber natürlich ist auch bergab zu Laufen anstrengend, wenn auch auf eine andere Art und Weise, speziell wenn man es nicht gewohnt ist. Die Zuschauermenge am Straßenrand wird immer dichter, bis man die letzten 2 km in einem Spalier in Richtung Olympiastadion läuft. Der Zieleinlauf in diesem imposanten Stadion mit seiner markanten Form zählt sicher zu den spektakulärsten Zieleinläufen, die Marathons zu bieten haben. Die Tribünen des Stadions sind gefüllt mit Zuschauern und allein dafür lohnt es sich schon, diesen Marathon zu laufen. So fühlt man sich denn tatsächlich wie ein griechischer Held!

Nenikekamen – Wir haben gesiegt!

 

Athen war mein neunter Marathon.

 

Mein Lauf ist auf Garmin Connect einsehbar.

 

Alles Liebe, ich lauf schon mal voraus!

Herbert