Tokyo Marathon 2018

25.02.2018

Factbox (Stand März 2018)

Homepage http://www.marathon.tokyo/en/
Erste Austragung 2007
Teilnehmer 36.000, davon 500 aus Europa, 17 Finisher aus Österreich (2018)
Termin Ende Februar
Qualifikation Zeitlimit, Charity, Lotterie, Reiseveranstalter
Anmeldezeitraum August
Chancen bei Lotterie minimal
Kontingent Reiseveranstalter sehr klein, rechtzeitige Voranmeldung notwendig (1-2 Jahre)
Kurs sehr flach, point-to-point, viele Kehren und Gegenverkehr
Zeitnehmung Chip zur Befestigung am Schuh
Marathon Expo geöffnet Donnerstag-Samstag, relativ groß aber hauptsächlich kleine Stände, von den Sportartikelherstellern ist nur der Hauptsponsor (ASICS) groß vertreten, laut und schrill
Start Startzeit 9:10, Startbereich öffnet 7:00, 1 Welle, Startblöcke A-K, Startblöcke schließen pünktlich um 8:45, der letzte Starter benötigt ca. 20 min bis er die Startlinie passiert, keine Zelte, wenige Umkleiden
Ziel Sehr weitläufig und zergliedert, lange Wege bis zur Kleiderausgabe
Zeitlimit 7h
Verpflegung  Wasser, Iso, Gels, Bananen, Orangen, Schwämme
Verpflegungsstationen 15 aber sehr unregelmäßig verteilt, ca. alle 3-5 km
Toiletten im Startbereich zu wenige mit extrem langen Wartezeiten, entlang der Strecke viele (alle 1-2 km) aber im ersten Drittel stark frequentiert

Ankommen

Ich gebe es ja zu – es ist schon sehr aufwendig, nur für einen Marathon um die halbe Welt zu reisen! Der Tokyo Marathon gehört für uns Europäer sicher zu den exotischen Schauplätzen um die 42,2km zu laufen. Nicht umsonst leben von den 36.000 Starten nur 2.000 außerhalb Japans, davon sind gerade mal lächerliche 500 aus Europa und wir Österreicher dann ein Häufchen von 17! Vielleicht erklärt das auch, warum es so schwierig ist für dieses Rennen überhaupt einen Startplatz zu bekommen? Angeblich gibt es 360.000 Interessenten jedes Jahr, Tendenz steigend. Wenn dann nur 2.000 Plätze an den Rest der Welt vergeben werden, kann man sich vorstellen, wie hoch die Chancen sind, einen Platz über die Lotterie zu bekommen! Meine Frau und ich haben es trotzdem versucht – natürlich ohne Erfolg. Damit blieb nur Plan B, der eigentlich immer Plan A war, nämlich über einen Reiseveranstalter. Umso mehr freut es dann, seinen Namen auf der großen Tafel der Teilnehmer lesen zu können!

Würde ich Tokyo auch laufen, wäre er nicht Teil der Big Six, der Abbott World Marathon Majors? Ich weiß es nicht, immerhin sind neben dem Reiseaufwand auch die Kosten nicht unerheblich. Aber natürlich hat der Tokyo Marathon einen exzellenten Ruf bei den Läufern – und er ist immer noch ein wenig mehr Abenteuer, als nur mit der U-Bahn nach Kagran zum Start des Vienna City Marathons zu fahren!

Gleich vorweg, der Lauf wird seinem guten Ruf auf jeden Fall gerecht. Natürlich hat er auch sein Verbesserungspotential, aber was Stimmung, Organisation und Strecke betrifft, kann er mit jedem der World Majors leicht mithalten. Die Zuschauer sind phänomenal, die Organisation perfekt und die Strecke ist sehr flach, so wie Chicago, und wäre damit absolut für eine Bestzeit geeignet. Es gibt aber zwei Knackpunkte: Zum einen ist die Strecke durch die vielen Schleifen und damit Gegenverkehrsbereiche an manchen Stellen eng. Das ist sicher kein Problem, wenn man in einem vorderen, schnellen Block startet – für die hinteren Blöcke (wir waren G) kann das aber schon ein Hindernis darstellen. Zum anderen kann einen die Zeitumstellung, kombiniert mit der langen Flugreise, den Schlafrhythmus und damit die Erholung ordentlich durcheinanderbringen. Tokyo liegt 8 Stunden vor uns – wir fliegen nach Osten und verlieren damit diese 8 Stunden. Startzeit 9:10 bedeutet nach unserer Zeit 1:10, man läuft also knapp nach Mitternacht! Wenn man sich in Tokyo um 22:00 schlafen legen will, ist der Körper noch bei 14:00 MEZ und wenn man in Tokyo um 6:00 aufsteht, ist der Körper eigentlich der Meinung, er möchte jetzt erst so richtig tief schlafen! Einige kommen mit dieser Umstellung gut zurecht, andere wieder überhaupt nicht.

Aber jetzt mal der Reihe nach! Ich laufe diesen Marathon, wie schon NYC 2015, gemeinsam mit meiner Frau. Gemeinsam heißt dabei wirklich auch miteinander, (meistens) nebeneinander und im gleichen Tempo - wozu fliegt man schließlich 10.000 Kilometer wenn dann jeder irgendwo in der Menge „alleine“ läuft? Wir haben uns dazu schon im Dezember 2016 bei unserem Lieblings-Reiseveranstalter auf die Warteliste setzen lassen und selbst das wäre sich fast nicht ausgegangen, hätte Andy Perer von runners unlimited nicht noch zusätzliche Startnummern auftreiben können. Somit sind wir dann eine kleine, feine Truppe von ca. 20 Läufern und Begleitern, die sich am Mittwoch von Wien, Berlin und München aus auf den Weg ins ferne Tokyo machen, wo wir dann am Donnerstag mittags landen. Eine derartige Pauschalbuchung hat den großen Vorteil, dass nahezu alles inklusive ist und man sich zum Beispiel um den Transfer vom Flughafen zum Hotel keine Gedanken mehr machen muss. Nach 20 Stunden Reisezeit (alleine der Flug von München nach Tokyo dauert 12 Stunden) ist das schon sehr angenehm!

 

In der Gruppe treffen wir einige Bekannte aus vorigen Marathonreisen und sieben unserer Läufer, davon zwei Paare, werden hier ihren sechsten und damit letzten der World Majors in Angriff nehmen Für sie wartete daher an der Ziellinie nicht nur die wunderschöne Medaille des Tokyo Marathons, sondern auch die begehrte Six Star Finisher Medaille!



Marathon Expo

Tokyo Big Sight, der Austragungsort der Expo
Tokyo Big Sight, der Austragungsort der Expo

Den Rest des Donnerstags nutzen wir zum Besuch der Marathon Expo und zur Abholung der Startunterlagen. Schon dort zeigt sich die perfekte Organisation. Volunteers gibt es in Massen und jeder Schritt wird von freundlichen Helfern begleitet, auch wenn nicht jeder von ihnen Englisch spricht. Die „internationalen“ Volunteers erkennt man an einer orangen Kappe. Die Wartezeit ist Null und alle sind super freundlich – zumindest lächeln und verneigen sie sich immer! Es erhält jeder Läufer ein Armband mit Code, ohne welches er nicht in den Startbereich des Marathons kommt. Zusätzlich wird auch noch ein Foto gemeinsam mit der Startnummer aufgenommen. Das alles soll helfen, dass nur Läufer die auch tatsächlich angemeldet sind, am Lauf teilnehmen. Die Prozedur geht trotzdem schneller als ich in Wien alleine in der Schlange für die Startnummer brauche. Am Ende holt man sich noch das vorbestellte Shirt oder die Jacke. Danach geht es nahtlos über in die Expo.

 

Ein Wort noch zum Shirt, der Jacke und den Kleidergrößen: Das Marathon Shirt ist im Preis inbegriffen, die original Marathon Jacke kostet extra. Beide muss man bei der Anmeldung gleich bestellen, natürlich ohne zu wissen wie die Dinger ausschauen werden! Bei der Bestellung sollte man beachten, dass es sich bei beiden Stücken um Unisex Schnitte handelt. Es kann daher durchaus sein, dass der Damenteil dann weiter als erwartet ausfällt. Zu den Größen ist zudem zu beachten, dass es sich um japanische Größenangaben handelt. Die sind alle um ca. eine Nummer kleiner geschnitten als in Europa (ein M entspricht z.B. unserem S)!

 

Zur Expo selber gibt es nur so viel zu sagen: sie ist groß, laut, schrill und außer Asics gibt es keinen weiteren der großen Sportartikelhersteller, der einem hilft, sein Geld loszuwerden. Was man aber versuchen kann: Als isotonisches Getränk wird beim Marathon das japanische „Pocari Sweat“ ausgeteilt. Welches Tier, dessen Schweiß wir da trinken, auch immer dieses Pocari ist – das Getränk schmeckt besser als der Name befürchten lässt und man kann es auf der Expo der Sicherheit halber verkosten.



Die Stadt

Blick vom Tokyo Skytree (634m, Plattform auf 350m)
Blick vom Tokyo Skytree (634m, Plattform auf 350m)

Nachdem der Versuch zu schlafen in der ersten Nacht kläglich scheitert, ist der Freitag einer ganztägigen Stadtrundfahrt mit Bus gewidmet. Auf jeden Fall eine effektive und den Bewegungsapparat schonende Art, einen ersten Eindruck und Überblick von der Stadt zu erhalten. Es ginge natürlich auch auf eigene Faust, aber die Orientierung in dieser Mega City, die ohne erkennbare städteplanerische Struktur vor einem liegt, fällt schwer. Zudem sind wirklich nur die ganz großen Straßen mit für uns lesbaren Straßenschildern versehen, ansonsten sind alle Beschriftungen auf japanisch und eine Orientierung selbst mit Stadtplan schwer. Das liegt auch an den riesigen unterirdischen U-Bahn Passagen, bei denen man dann nicht wirklich weiß, wo man an der Oberfläche herauskommt. Grundlegende Kenntnisse der Himmelsrichtungen und des Sonnenstandes helfen hier. Das U-Bahn System ist zwar auf den ersten Blick verwirrend, aber doch beherrschbar, auch wenn es 4 verschiedene Betreiber gibt, die alle ihr eigenes Ticketsystem haben. Tokyo ist auf jeden Fall eine vielfältige, pulsierende Stadt, mit einigen Sehenswürdigkeiten. Ich würde aber in Zukunft nicht nur für Tokyo alleine den weiten Weg nach Japan in Kauf nehmen, sondern es mit einer Reise ins Umland verbinden.

 

Was sofort auffällt ist die nahezu klinische Sauberkeit dieser Stadt. Ein Taschentuch liegt bestenfalls auf der Straße, weil es unbemerkt aus der Hosentasche gefallen ist und es niemand sofort gesehen hat. Absichtlich was wegwerfen würde wahrscheinlich sofort mit einem Reinigungseinsatz in Fukushima bestraft werden. Man sieht aber trotzdem wenige Mistkübel – es wird einfach von jedem erwartet, dass er seinen Abfall mit nach Hause nimmt. Gleiches gilt für die öffentlichen Toiletten, die es zahlreich und gratis gibt. Die sind sehr sauber und durchwegs mit beheizter Klobrille versehen. Rauchen ist auch auf der Straße nur an speziell markierten Plätzen erlaubt. Es bemüht sich einfach ein jeder, seine Stadt sauber zu halten – selbst beim Marathon!

 

Den bekannten Mundschutz tragen die Japaner übrigens nicht nur, wenn sie bei uns in Europa auf Sightseeing sind - auch zu Hause wird dieser ausgiebig und zu jeder Gelegenheit getragen. Es findet niemand was dabei.

Nach einer weiteren Nacht mit wenig Schlaf, wird der Samstag zum Erholen und der Vorbereitung der Ausrüstung genutzt. Inzwischen ist auch der Wetterbericht so belastbar, dass man sich konkret darauf vorbereiten kann. Die Vorhersagen prophezeien uns Temperaturen im Bereich von 2-8 Grad, durchgehend bewölkt, wenig Wind und keinen Regen. Die meisten Läufer entscheiden sich für eine Kombination lang/lang, nur die schnellen in den vorderen Blöcken wagen sich an kurze Varianten. Im offiziellen Kleidersack, der übrigens riesig ist (20 Liter), findet sich neben dem üblichen trockenen Gewand für das Ziel auch noch ein alter Sweater und Jogginghose zum Warmhalten im Startbereich. Wie bei allen großen Marathons kann man dieses alte Gewand dann kurz vor dem Start in eigenen Sammelbehältern (YOFUKUPOST) zur weiteren Verwendung in sozialen Projekten deponieren.

Den Friendship Run über 5 km, der heute Vormittag stattfindet, lassen wir aus. Viele Läufer verkleiden sich, nicht nur bei diesem Lauf sondern erst recht auch beim Marathon! Da findet man sie dann, die Super Marios, die Luigis und wie sie sonst noch alle heißen, aus den verschiedenen Spiele und Manga Universen. Einige davon für uns Europäer komplett unbekannt, aber sie haben einen riesen Spaß daran!



Der Marathontag

Tokyo Rathaus
Tokyo Rathaus

Sonntag: Tagwache um 5:00 – ich möchte gar nicht nachrechnen wie spät es in Wien gerade ist! Es folgen die üblichen Prozeduren und Rituale, ein kurzes Frühstück und der Bustransfer zum Start (sehr angenehm, man erspart sich den mühsamen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln). Gestartet wird um 09:10, das Startgelände öffnet um 7:00 und die Eingänge zu den Startblöcken schließen pünktlich um 8:45! Eine Herausforderung, wie es sich noch zeigen wird. Wer nicht rechtzeitig in seinen Startblock kommt, muss sich am Ende des Feldes anstellen.

 

Um 7:45 setzt uns der Bus vor den Eingängen zum Startgelände ab. Gestartet wird vor dem beeindruckenden Rathaus von Tokyo, das Athlete Village befindet sich in den Anlagen davor. Der Zutritt erfolgt über fünf Gates, welches Gate man zu nehmen hat ist auf der Startnummer angegeben. Wie die Gates zugeteilt werden ist unergründlich - so haben meine Frau und ich, obwohl wir aus dem gleichen Block starten, unterschiedliche Eingänge. Da gibt es auch kein herumdiskutieren oder tauschen, man wird ausnahmslos nur in dem Gate hineingelassen welches einem zugeteilt wird.

 

Aber auch hier zeigt sich die Effizienz und der großzügige Einsatz an Volunteers. Obwohl die Massen vor den Eingängen beachtlich sind, geht der ganze Security Check in 10 Minuten über die Bühne. Und dabei lächeln alle Helfer freundlich, verneigen sich und wünschen dir Glück. Überprüfung des Armbandes mittels Scanner, Abgleich mit der Startnummer, Überprüfung der Kleidersäcke, ab durch den Metalldetektor und schon ist man drinnen. Offiziell erlaubt ist die Mitnahme von 2x0,25 Litern Flüssigkeit. An und für sich kein Problem, weil es im Startbereich dann Wasser zum Nachfüllen gibt. Problematisch nur, wenn man seine eigenen isotonischen Getränke in größerem Umfang für den Lauf mitnehmen will – da muss man halt dann versuchen diese durchzuschmuggeln. Die Abgabe von Eigenverpflegung ist nicht möglich.

Warten auf das Klo
Warten auf das Klo

Das Startgelände ist mit der Anzahl an Läufern eindeutig am Limit und überfüllt. Trotzdem treffen wir vor den Kleiderabgaben eine weitere österreichische Läuferin. Wir werden an unseren Shirts erkannt (in bewährter Weise haben wir diese wieder groß mit unseren Vornamen und der Nation versehen). Sie hat tatsächlich den Startplatz in der Lotterie erhalten! Wir bestaunen sie gebührend und angemessen ungläubig und machen uns hoffnungsvoll, aber mit Druck, auf den Weg zu den Bedürfnisanstalten.

 

Vielleicht sind wir doch ein wenig zu spät dran, es ist fast 8:15 bis wir auch die Kleidersäcke abgegeben haben, denn sofort zeigt sich - das mit den Toiletten wird sich in 30 Minuten nicht mehr ausgehen! Zumindest nicht, wenn man nicht ein Mann ist und nur ein kleines Bedürfnis hat. Für Männer gibt es eigene Anlagen zu diesem Zweck, der Rest der Männer und die Frauen sind aber auf die normalen Toiletten angewiesen. Wobei „normal“ hier auch zwei Varianten hat, die westliche die wir kennen und die japanische – mit Loch im Boden zum rustikal hinhocken. Unsere Variante ist mit „Western Style“ markiert. Aber ich glaube am Ende war es jedem egal was er erwischte – Hauptsache man hat überhaupt eine rechtzeitig erreicht!

 

Natürlich ist die Geschichte mit der Anzahl der Toiletten bei jedem Marathon eine mehr oder weniger große Misere, Wartezeiten sind einfach normal und einzuplanen, hier in Tokyo ist es aber extrem. Ein Grund liegt sicher auch im Umstand, dass wir Läufer (und auch Läuferinnen) in der Not normalerweise keine Hemmung haben, uns irgendwo in die Büsche zu schlagen. Hier in Tokyo geht das aber nicht, es gibt einfach keine Büsche! Und selbst wenn es sie gäbe, sie wären bewacht und es würde sich niemand trauen! In dieser klinisch sauberen Stadt ist so was einfach undenkbar, es würde wahrscheinlich sofort streng bestraft werden.

 

Sei es wie es sei, meine Frau muss 10 Minuten bevor der Zugang zu den Blocks schließt anerkennen, dass sich das mit 300 Metern Warteschlange vor ihr nicht mehr ausgehen wird. Wir entschließen uns daher notgedrungen zu einer Pause entlang der Strecke und schlüpfen gerade noch rechtzeitig in unseren Startblock. Es dürften hunderte sein, denen es genauso geht und die auf die gleiche Lösung verfallen.



Der Marathon

Gestartet wird in Tokyo sehr effektiv in nur einer Welle, mit 11 Startblöcken, nach der angepeilten Zielzeit geordnet. Das hat zur Folge, dass in unglaublichen 20 Minuten alle 36.000 Teilnehmer auf der Strecke sind! Aufgrund der Disziplin bei der Anmeldung und Zuteilung zu den Startblöcken kommt es trotzdem nicht dazu, dass langsamere Läufer dich bremsen. Die ersten fünf Kilometer gehen stetig bergab und das Feld lichtet sich erstaunlich schnell. Bei km 4 kann meine Frau endlich nachholen, wozu sie vor dem Start nicht mehr gekommen ist. Es kostet uns wertvolle acht Minuten – das war es dann wohl mit sub 2!

Die Strecke führt vom Rathaus zum Kaiserpalast, sie ist sehr flach und besonders gekennzeichnet durch die Schleifen, die sie zieht. Es gibt insgesamt 3 Kehren und damit auch 3 lange Gegenverkehrsbereiche. Auf 2/3 der Strecke hat man so in der anderen Fahrbahnhälfte entweder die schnelleren oder die langsameren Läufer entgegenkommend im Blick. (In Japan gilt übrigens Linksverkehr – auch auf den Gehsteigen und Rolltreppen wohlgemerkt.) Es ist also immer für Abwechslung gesorgt.

 

Das bringt uns in die außergewöhnliche Lage, dass wir in einem Marathon, in dem wir selber mitlaufen, sowohl die Elite Spitzentruppe als auch den Kehrwagen live miterleben und trotzdem den Lauf finishen! Kurz nach km 12 begegnet uns die Männerspitze, die sind zu dem Zeitpunkt knapp vor km 28 (!!) und wir sind einfach nur fasziniert von der Leichtigkeit, mit der diese Athleten da an uns vorbeijagen. Auch die Läufer applaudieren und feuern sie an, bleiben zum Teil sogar kurz stehen um ein Selfie mit der vorbeilaufenden Elite zu erhaschen. Der Titelverteidiger Wilson Kipsang ist zu dem Zeitpunkt aber schon wegen Magenproblemen ausgestiegen. Genauso wie Anna Hahner, die wir auch nicht mehr in der Damenspitze finden können.

 

Und ja, auch den Kehrwagen bekommen wir zu Gesicht, sogar mehrere Kehrwägen und der Bus, der die Läufer einsammelt. Es lagen zu dem Zeitpunkt aber noch beruhigende 15 km zwischen uns und dem Ende des Feldes.

Natürlich haben diese Gegenverkehrsbereiche den Nachteil, dass es doch manchmal eng werden kann, speziell bei den Labstellen. Diese sind übrigens sehr unregelmäßig verteilt und es ist nicht immer klar ersichtlich, ob es nur Wasser oder auch das schon erwähnte Pocari Sweat gibt. Die Abstände schwanken zwischen 3-5 km und es wäre klug gewesen, sich deren Position entweder zu merken, oder irgendwie zu notieren. Wenn die Temperaturen höher sein sollten, oder wenn man ein Gel nimmt und das dann mit Wasser hinunterspülen will, kann das schon unangenehm werden.

 

Ein großer Vorteil der Streckenführung ist aber, dass wir immer mitten in der Stadt laufen und damit immer mit Publikum. Dieses ist fanatisch und die Zuschauer stehen tatsächlich durchgehend an der Strecke. Ich kann mich an keinen Abschnitt erinnern, wo wir nicht lauthals Unterstützung, Musik, Darbietungen, Abklatschen und Zurufe hatten. Zumeist natürlich auf japanisch, ich nehme aber an, dass die Zurufe trotzdem wohlmeinend und anfeuernd waren. Einige erkennen aber doch unsere Shirts und versuchen es auf Englisch. Der übliche Anfeuerungsruf dürfte dabei „Nice Run!“ sein - auf den ersten Kilometern noch passend, auf den letzten nimmt man das dem Zurufer nicht mehr ganz so ab! Und nein, mit Australia hat uns diesmal niemand verwechselt! Auf jeden Fall bewähren sich diese individualisierten Laufshirts wieder einmal. Die Menschen „erkennen“ dich, es öffnen sich die Gesichter und zaubern ein Lächeln hervor.

Neben den vielen Einheimischen steht auch Andy Perer mit einigen Begleitern und einer großen Österreich Fahne sowohl bei km 10 als auch bei km 28 an der Strecke und gibt uns moralische Unterstützung. Die können wir gut gebrauchen und so halten wir schon hunderte Meter vorher Ausschau nach rot-weiß-rot am Streckenrand, Danke! 

 

Aber auch hier, selbst beim Laufen eines Marathons, zeigt sich die Einstellung zu Sauberkeit der Stadt. ES WIRD NICHTS EINFACH SO WEGGEWORFEN! Becher landen natürlich nicht auf der Straße, sondern brav in den Sammelboxen – auch wenn damit das so charakteristische und liebgewonnene Geräusch der über Becher laufenden Marathonis fehlt! Entlang der gesamten Strecke finden sich alle 100m Volunteers mit kleinen Müllsäcken, in die man sein Gel oder Bananenschale entsorgen kann und muss. Wir haben es auf jeden Fall nicht versucht, mal was einfach so wegzuwerfen.

Das Laufen in einer Stadt wie Tokyo, mit ihren engen Häuserschluchten, stellt jede GPS Uhr vor spezielle Herausforderungen, was die Genauigkeit der gelaufenen Distanz und damit in Folge der angezeigten Pace betrifft. Meine Uhr, obwohl von der neuesten Generation bei Garmin, hatte am Ende 43,1 km in der Anzeige, also fast einen Kilometer mehr! Das sollte man beachten, wenn man sich eine Zielpace vornimmt. Entweder die Kilometerzeiten manuell nehmen, jeder Kilometer ist deutlich markiert, oder bei der angezeigten Pace der Uhr gleich 5 Sekunden aufschlagen, um auf halbwegs realistische Werte zu kommen. Unser Ziel wäre eine ruhige Pace von 6:30/km im Schnitt gewesen, mit der Achtminutenpause bei km 4 war die dann natürlich sofort obsolet.

 

Der Weg zur letzten Kehre und zurück will dann auch keine Ende nehmen und ist leider auf den letzten Kilometern durch Ansätze von Krämpfen im Oberschenkel meiner Frau beeinträchtigt.

 

Im Ziel vor dem Kaiserpalast sind wir aber trotzdem sehr glücklich und zufrieden diesen einzigartigen Lauf erfolgreich gefinisht zu haben. Als Gentleman lasse ich meiner Frau natürlich eine Sekunde Vorsprung! Und eines muss man schon sagen - die Medaille ist ein ganz besonders schönes Stück!

Der Zielbereich ist leider sehr weitläufig und die Läufer werden zudem je nach Kleiderbus in alle Himmelsrichtungen verteilt, wodurch jegliches Gemeinschaftsgefühl verloren geht. Die Wege sind sehr weit, einen Kilometer braucht es bis man endlich seine Wärmefolie erhält (bei so kühlen Temperaturen sehr unangenehm) und einen weiteren Kilometer bis zur Kleiderausgabe. Eigentlich unverständlich, weil es nach dem Ziel mehr als genug Platz gibt um zumindest die Wärmefolien zu verteilen. Als besonderes Goodie gibt es aber ein eigenes Tokyo Finisher Handtuch!

Trotzdem soll das diesem einzigartigen Lauf, in einer ganz speziellen Atmosphäre, keinen Abbruch tun. Ich denke, die Organisatoren werden da in den nächsten Jahren noch nachjustieren. Immerhin ist diese Streckenführung erst seit einem Jahr neu in Anwendung und wird sicher noch verbessert werden.

 

Der Rücktransport zum Hotel ist angenehmerweise wieder mit Bussen organisiert. Beendet haben wir diesen wunderschönen Tag dann natürlich in der Gruppe, mit einem gemeinsamen Abendessen und Urkundenverteilung an alle Teilnehmer. Gefinisht haben alle – aber unsere sieben Six Star Finisher haben dabei ganz besonders gestrahlt!

 

Für meine Frau war es der dritte Marathon – und wieder einmal ihr angeblich letzter. Für mich war es der achte Marathon, der fünfte der Abbott World Marathon Majors

 

Mein Lauf ist auf Garmin Connect einsehbar.

 

Alles Liebe, ich lauf schon mal voraus!

Herbert